Trauerbegleitung bedeutet: Ich möchte an deiner Seite sein

Der Newsletter zum Thema Trauerbegleitung als PDF

Einleitung

Liebe Kund*innen,
sehr geehrte Damen und Herren,

in dem aktuellen Newsletter der Betrieblichen Sozialberatung der PROCEDO-Berlin GmbH informieren Sie Ulrike Müller (Dresden/Radeberg) und Mario Wege (Melsungen) über das Thema „Trauer“ und die unterschiedlichen Phasen des Trauerns.

 


„Trauerbegleitung bedeutet nicht: Ich muss Dir Anweisungen geben, muss Dir Ratschläge erteilen, dir etwas ausreden oder einreden, etwas genau oder besser wissen. Ich muss für Dich Entscheidungen treffen.“

sondern

„Trauerbegleitung bedeutet vielmehr: Ich möchte an Deiner Seite sein, Dir nahe sein, da sein. Ich möchte mich mit meinen Gefühlen und Gedanken, mit meinen Gesten und Worten auf Dich einstellen. Ich möchte mich von Dir und Deinem Schicksal leiten und berühren lassen.“

(M. Specht-Tomann, D. Tropper; „Bis zuletzt an Deiner Seite“; S.33)

Trauer ist keine Krankheit, sondern eine kritische Phase im Leben von Menschen. Trauer bedarf deshalb in der Regel auch keiner Therapie. Trauernde Menschen fühlen sich allerdings in unserer Zeit mit ihrem Schmerz oftmals allein und verlassen. Deshalb ist es eine wichtige Aufgabe mitmenschlichen Handelns, den trauernden Menschen in unserer Nähe wahrzunehmen und ihm zu zeigen, dass wir ihn und seine Trauer wahr- und ernst nehmen. Dazu ist Aufklärung und Auseinandersetzung mit dem Trauerprozess notwendig.

Wie verläuft ein Trauerprozess?

Trauerphasen nach Verena Kast

  1. Die Phase des Nicht-wahrhaben-Wollens

Die Nachricht bzw. das Wahrnehmen eines Verlustes löst einen „Gefühlsschock“ aus. Der Verlust wird geleugnet, kann nicht realisiert werden und die eigenen Emotionen können nicht wahrgenommen werden. Die trauernde Person scheint empfindungslos und fühlt sich oft selbst „wie tot“. Die körperlichen Reaktionen können alle Symptome eines Schocks (schneller Pulsschlag, Schwitzen, Übelkeit, motorische Unruhe) sein. Die Phase dieses Zustandes kann von einigen Stunden bis zu etwa einer Woche andauern, im Falle eines plötzlichen Todes kann sie noch länger anhalten.

  1. Die Phase der aufbrechenden Emotionen

In dieser Phase taucht der Trauernde in ein regelrechtes Gefühlschaos: Wut, Trauer, Angst, Zorn, Schmerz, Niedergeschlagenheit, Schuldgefühle, u.v.m. stellen sich ein. Welche Emotionen sich mischen oder überwiegen, hängt stark von der Persönlichkeit des Betroffenen ab, so reagieren z.B. Ängstliche mit Angst, Choleriker mit Zorn, usw. Diese Stimmungslabilität kann im Kontakt mit anderen schnell zur Schwierigkeit werden, von einem Begleiter wird hier viel Geduld und Fingerspitzengefühl, sowie ein gewisses Maß an Abgrenzung gefordert. Die Ohnmacht des Menschen kann nur schlecht eingesehen werden; es treten Schuldgefühle auf, weil man befürchtet, nicht alles getan, etwas versäumt oder unterlassen zu haben, das den Schicksalsschlag hätte verhindern können oder es werden andere Menschen dessen beschuldigt.

  1. Die Phase des Suchens und Sich-Trennens

Beim Verlust des so Vertrauten suchen wir  zum einen die reale Situation (Aufsuchen von bestimmten Orten, die mit dem Vertrauten Verlust zusammenhängen; auftretende Situationen werden mit dem Vertrauten Verlust in Zusammenhang gebracht, Parallelen gezogen, Vergleiche angestellt; es werden Gewohnheiten aus dem Vertrauten Verlust übernommen …) und zum anderen Möglichkeiten, Teile des Vertrauten Verlustes erhalten (es werden Erinnerungen und Geschichten aus der Zeit vor dem Verlust erzählt; Zwiegespräche geführt …); eine innere Auseinandersetzung mit dem zu betrauernden Verlust findet statt. Dieses Suchen bereitet den Trauernden darauf vor, ein Weiterleben ohne dem zu betrauernden Verlust zu akzeptieren, keineswegs aber ihn zu vergessen.

  1. Die Phase des neuen Selbst- und Weltbezugs

Im Verlauf der vorhergegangenen Phase wurden Wege gefunden, mit dem Verlust positiv umzugehen. Der Verlust wird zu einer Art „inneren Figur“, dies kann sich ausdrücken, indem der Verlust als innerer Begleiter erlebt wird oder daran, dass der Trauernde Lebensmöglichkeiten, die zuvor an den zu betrauernden Verlust gebunden waren, in das eigene Leben integriert. Die Gedanken und Handlungen des Trauernden kreisen nicht mehr ausschließlich um den Verlust, es wird wieder möglich das eigene Leben zu gestalten. Selbstvertrauen und Bezugsfähigkeit wachsen, so dass neue Beziehungen eingegangen werden können und neue Lebensmuster entwickelt werden können, ohne dass der Verlust vergessen scheint.

Der Durchlauf der Phasen kann nie stringent und idealtypisch verlaufen und auch nicht einer zeitlichen Begrenzung unterliegen, denn die Art und Weise der Trauerarbeit und der Trauerbewältigung  hängt neben der Persönlichkeit des Trauernden auch von seiner Beziehung zu dem Verlust und dessen Umständen ab. In allen Phasen kann es zu Schwierigkeiten kommen, die sich, wenn keine Unterstützung vorhanden ist, schnell manifestieren können und ein Stagnieren des Trauerprozesses zur Folge haben können.

Was trauernden Menschen am wenigsten hilft, sind Tröstungsversuche in der Hinsicht, dass ihnen andere Menschen nahe sind, sie nicht isoliert und unverstanden ihr Leben weiterleben müssen. Die Unsicherheit, die wir in der Begegnung mit trauernden Menschen empfinden, kann gemindert werden. Die Formulierungen von vier Aufgaben, wie sie der amerikanische Trauerforscher Worden vorschlägt, kann hierbei hilfreich sein.

Trauerbegleiterinnen und Trauerbegleiter sollen deshalb:

  1. Die Realität des Verlustes für den Trauernden deutlich wahrnehmbar machen

Dies scheint zunächst ein denkbar ungeeignetes Handeln gegenüber dem trauernden Menschen zu sein; denn ist nicht gerade diese Realität es, die Anlass zur Trauer gibt?

Gerade in der sensiblen Phase am Beginn der Trauer sind Trauernde durch den Schock, in dem sie sich befinden, wenig reaktionsfähig und aufnahmefähig für das Geschehen. Trauerbegleitung soll sie hier unterstützen, den Verlust so intensiv wie möglich mit allen Sinnen wahrzunehmen. Hierzu gehört es z.B., dass Trauernde mit der Situation konfrontiert werden (Verstorbene noch einmal angesehen werden können; der Besuch einer Unglücksstelle; eine würdevolle Verabschiedung von der Arbeitsstelle; das sich bewusste Danke sagen bei Trennung; ein Ritual beim Auszug der Kinder…). Die Trauernden sollten Gelegenheit bekommen, möglichst viele der Tätigkeiten, die in dieser Situation notwendig sind, selbst zu erledigen, auch wenn es gerade in dieser Situation schwerfällt. Hierzu benötigen sie bisweilen Ermutigung – aber auch Entlastung von Alltagsaufgaben, die jetzt nachrangig sind.

  1. Trauernde den Schmerz der Trauer durchleben lassen

Dies mag die schwierigste Aufgabe der Trauerbegleitung sein. Sie beinhaltet, dass dem trauernden Menschen immer wieder und wieder Gelegenheit gegeben wird, seine Trauer auf die ihm gemäße Weise auszudrücken. Ein äußerst schmerzhafter und mühsamer Prozess. Was den Schmerz der Trauernden lindern kann, ist – so paradox das zunächst erscheinen mag – die Erlaubnis, diese Erinnerung zuzulassen. Trauernde spüren einen tiefen Drang, wieder und wieder über die zu betrauernde Situation zu sprechen, das Ereignis lebendig sein zu lassen. Dabei wird über gute und schlimme Erinnerungen gesprochen, Bilder werden lebendig, auch wenn es noch so schmerzlich ist. Schlimmer noch ist der Schmerz, wenn all dies unterdrückt werden muss. Hilfreich sind hier vertraute nahestehende Personen, aber auch Selbsthilfegruppen.

  1. Trauernden die Neuorientierung erleichtern, in einer Welt, in der der Verlust fehlt

Für diese Aufgabe benötigen die Trauernden meist nur wenig unmittelbare Hilfen. Allerdings braucht es hier vielfach nachdrückliche und beständige Ermutigung, dass die neu gewonnene Selbständigkeit „erlaubt“ ist und nicht ein „Hintergehen“ des Verlustes bedeutet.

  1. Schließlich: Trauernde Ermutigen, neue liebevolle „Wege“ einzugehen

Vielleicht die schwierigste der vier Aufgaben und oft erst viele Jahre nach dem Verlust möglich: Die Fähigkeit, einen Teil der intensiven Gefühle vom Betrauernden abzuziehen und das Wagnis einen neuen „Weg“ einzugehen. So beschreibt Worden diese Aufgabe: Die Erinnerung an das, was war, muss nun nicht mehr ängstlich festgehalten werden. Der Schmerz ist noch deutlich spürbar, wenn das schreckliche Ereignis zur Sprache kommt. Aber es ist auch genügend Raum für die angenehmen Erinnerungen an fröhliche, gute Zeiten mit dem zu Betrauernden.


Diejenigen, die das Tal der Trauer verlassen haben, sagen oft, dass die Zeit dort die wichtigste ihres Lebens war. Wer so spricht, hat meistens bewusst getrauert.

Krisenzeiten sind Zeiten des Wandels. Jeder fundamentale Einschnitt in einem Leben birgt die Chance auf einen Neubeginn. Es heißt nicht, dass man sich abschneiden muss, von der betrauernden Situation, dem Menschen, dem Verlust … Es heißt: Ihr einen würdigen Platz zu geben und dann den eigenen Lebenspfad weitergehen.

Kontakt

Ulrike Müller
Betriebliche Sozialberatung Standort Dresden
Mobil: 01579 – 234 96 50
ulrike.mueller@diebildungspartner.de

Mario Wege
Betriebliche Sozialberatung Standort Melsungen
Tel.: (05661) 919 97 81
Mobil: 0157 – 92 33 65 21
mario.wege@diebildungspartner.de

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